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Aujourd'hui plus qu'hier, il y a des Noirs dans le monde entier: Noirs Américains, Noirs Européens, Noirs Asiatiques, Noirs Africains, brefs Noirs noirs et Noirs mélangés. Que veut dire aujourd'hui être Africain? Ta langue quotidienne n'est plus africaine; ta religion n'est plus celle de tes ancêtres; ton économie n'est plus celle du troc; ton droit n'est plus le droit d'aînesse; veste et cravate sont tes vêtements de parade; tu ne manges plus le manioc; ta peau est violemment maquillée, tes cheveux ou perruques lisses et ton ciel n'a plus de clairs de lune cadencés de danses autour du feu; tes contes sont les aventures des films occidentaux. Qu'est-ce qu'être Africain de nos jours? Une race en voie d’extinction? F.Kama

Wie es damals dazu kam, dass eine Straße in mein Dorf gebaut wurde (DE)

Yaoundé ist das politische Machtzentrum von Kamerun, das von den Deutschen 1889 erbaut worden war.

Mein Dorf Komo Endo, das heutzutage zum Bezirk von Evodoula gehört, liegt ungefähr 70 Kilometer außerhalb der Hauptstadt. Ich bin vom Stamm der Béti, dem Stamm der Noblen. Bei uns hatte es,  bevor die Deutschen in unser Land kamen, keinen Stammeshäuptling gegeben. Denn jeder war sein eigener Herr, und  jeder hat sich selbst regiert. Es waren nämlich die Deutschen, die die Idee von Königtümern und Königen bei uns eingeführt haben. Mein Großonkel Ambassa Tsimi Toua wurde vor der Kolonialzeit der Deutschen in Kamerun geboren. So gegen 1900 wurde er von den Deutschen als Soldat verpflichtet. Daher kommt es, dass man bis heute in Kamerun jeden, der eine Polizei- oder Militäruniform trägt, als Chef bezeichnet. Der Gouverneur, der damals in Kamerun regierte, hieß Karl Ebermaier. Er war der letze Gouverneur des deutschen Kaiserreichs bevor der erste Weltkrieg ausbrach und das Ende der deutschen Kolonisation einläutete. Die Straße, die von der Hauptstadt Yaoundé in mein Dorf führte, hörte rund 23 Kilometer vor meinem Dorf auf, sie war also eine Sackgasse. Danach gab es nur noch Pfade, die sich durch den Äquatorial-Dschungel schlängelten, und die nur durch größere und kleinere Dörfer mit mehr oder weniger Einwohnern unterbrochen wurden.

Eine Aufgabe der eingeborenen deutschen Soldaten, war das Eintreiben von Steuern. Das erklärt auch, warum bis heute das Wort Steuer in meiner Muttersprache existiert. Eine andere Aufgabe war es, junge Leute einzufangen, um sie zur Zwangsarbeit zu verpflichten. Tatsache war, dass die Deutschen im kamerunischen Hinterland riesige Infrastrukturprojekte unterhielten. So trieben Sie zum Beispiel den Bau von Straßen, Eisenbahnen und Handelszentren voran und betrieben kräftig Raubbau an Edelhölzern, Diamanten und Elfenbein.

Die Deutschen verlangten also von ihren schwarzen Polizisten, dafür zu sorgen, dass die Bevölkerung, die verstreut im Urwald lebte, sich am Ende der Straße ansiedelte. Mein Großonkel Ambassa Tsimi Toua, wollte als gutes Beispiel vorangehen und zog mit seinen sieben Frauen und 14 Kindern um, um sich so gegen 1911 am Ende der Sackgasse niederzulassen. In der Zeit probten die Kameruner den Aufstand im gesamten deutschen Territorium. In jener Zeit wurde immer deutlicher, dass der Kolonialpakt, den die Häuptlinge aus Douala mit den Deutschen geschlossen hatten, eine einzige Verarsche von vorn bis hinten war. Die Antwort der Deutschen gegenüber den Aufständischen war brutal und blutig: öffentliche Auspeitschungen sowie Hinrichtungen durch Hängen, Erschießen und vieles andere mehr. Es war unter der Herrschaft von Karl Ebermaier, dass die bekanntesten Märtyrer von Kamerun hingerichtet wurden: Martin Paul Sama, Rudolf Douala Manga Bell, Ngosso Din, der Stammeshäuptling Madola von Kribi, das Kirchenoberhaupt von Kalfou und Mindif sowie  andere Würdenträger aus dem Norden Kameruns.

Innerhalb von zwei Jahren starb dann ohne nachvollziehbaren Grund ein Kind meines Großonkels nach dem anderen in der Reihenfolge ihrer Geburt, bis nur noch zwei seiner 14 Kinder übrig waren. Mein Onkel schloss daraus, dass dieser Ort verhext war und dass er dorthin zurückkehren wollte, wo er herkam.

Also fuhr er nach Yaoundé, um Ebermaier zu treffen und ihn über diese Entscheidung in Kenntnis zu setzen. Zu jener Zeit gab es natürlich keine Autos oder sonstige Transportmittel und so machte sich mein Großonkel zu Fuß auf den Weg. Es dauerte einen ganzen Tag, um die 52 Kilometer hinter sich zu bringen. Und obwohl mein Großonkel nie eine Schule besucht hatte, wusste er, dass er für hin und zurück zwei ganze Tage unterwegs sein würde.

Als er das Büro des Gouverneurs betrat, wandte sich Ambassa Tsimi Toua direkt an den Gouverneur:

  • „Sehr verehrter Herr Ebermaier, wenn Sie 14 Kinder hätten und Ihnen im Laufe von zwei Jahren 12 Kinder wegsterben würden, welchen Schluss würden Sie daraus ziehen?“
  • „Na, ich würde daraus schließen, dass ich nur eine Frau hätte heiraten sollen, dass ich hätte weniger schlafen sollten, um weniger Dummheiten zu machen, dass ich mich auf zwei Kinder hätte beschränken sollen, um den Rest meiner Zeit mit nützlicher Arbeit zu verbringen“, antwortete er brummend.

An dieser Stelle muss man erklären, dass meine Leute die deutsche Sprache stets als eine Sprache des Militärs, eine Sprache der Kommandos empfunden haben. Denn die deutsche Sprache kommt wie ein Donner daher und jedes Wort schießt aus dem Mund heraus wie eine Kanonenkugel. Ein Deutscher, ein echter Deutscher spricht nicht, er kommandiert. Daher war es auch bei den Versammlungen unter dem Baum in unserem Dorf ein Dauerthema, ob die Deutschen wohl sogar beim Liebemachen einander herumkommandierten: „Mach‘ so!“, „Mach schnell“, „Nicht hier“, „Komm jetzt“…

  • „Also“ erwiderte Ambassa Tsimi Toua, „ich habe daraus geschlossen, dass in einem Jahrzehnt im deutschen Kaiserreich nur noch lauter Alte leben werden. Um im Alter überhaupt noch leben zu können, müssten sie dann eigens Arbeitskräfte aus Entwicklungsländern importieren. Diese Gastarbeiter müssten dann die alten Deutschen in Rollstühlen herumkutschieren, ihnen in den Altersheimen ihre faltigen Popos abwischen und die Windeln wechseln. Und in rund zwei Jahrzehnten wäre dann die arische Rasse vom Erdboden verschwunden.“

Der Deutsche traut seinen Augen und Ohren nicht. Er wird total rot und bittet meinen Großonkel  in ungewohnt normalem Ton zu wiederholen was er soeben gesagt hat.

  • „Ich bin gekommen, um dich darüber in Kenntnis zu setzen, dass ich mich entschieden habe, auf das Stück Land zurückzukehren, wo meine Ahnen begraben sind.“
  • „Kommst du, um mich um Erlaubnis zu bitten, umzuziehen oder informierst du mich darüber?“
  • Ich glaube, du hast mich wohl verstanden. Ich habe dem nichts mehr hinzuzufügen.“

Nach dieser Replik zieht Karl Ebermaier die Vorhänge auf, öffnet ein großes Fenster, das in den Garten des Hinterhofs hinausgeht, und fragt meinen Großonkel was er sieht. Ambassa Tsimi Toua erblickt ungefähr dreißig Schwarze, die lebendig begraben sind, so dass nur noch ihre Köpfe wie Pilze aus dem Boden ragen. Der Gouverneur macht langsam das Fenster wieder zu, zieht die Vorhänge vor und fragt ihn, wie viele Köpfe er gezählt habe.

  • „Neununzwanzig“!
  • „Falsch“, schreit Ebermaier. „Geh raus und zähl genau nach“.

Mein Großonkel Ambassa Tsimi Toua kommt fünf Minuten später zurück:

  • „Es sind dreißig. Aber auch wenn es nur fünf oder sogar Tausend wären, ich bleibe bei meiner Entscheidung“.

Also tat Karl Ebermaier, was er noch nie zuvor getan hatte. Er zeigte sich von einer Seite, von der er in seinen kühnsten Träumen niemals zu träumen gewagt hätte: er kapitulierte. Er gab dem Antrag des Ambassa Tsimi Toua statt. Im Augenblick des Abschieds sprach Ebermaier zu ihm:

  • „In genau einem Jahr werde ich dich in dem Stück Land besuchen kommen, wo deine Ahnen begraben sind. Ich werde dich zum großen Ober-Häuptling der Eton ernennen.“

Mein Großonkel kehrte zurück und bereitete sich auf die Rückkehr in sein Heimatland vor. Drei Tage später kam ein Botschafter des Gouverneurs zu ihm. Ebermaier hatte ihm noch eine sehr wichtige Botschaft mitzuteilen. Einen Tagesmarsch später, stellte sich Ambassa Tsimi Toua wieder im Büro von Karl Ebermaier ein. Jener empfing ihn überaus zuvorkommend ohne den sonst üblichen Kommandoton. Er führte ihn in seinen Palast. Sie durchschritten den Salon und durchquerten danach das Speisezimmer. Der Tisch war mit den allerfeinsten Speisen gedeckt. Die aromatischen Gerüche, die aus den Schüsseln emporstiegen, sorgten dafür, dass Ambassa Tsimi Toua das Wasser im Munde zusammenlief. Mein Großonkel fragte sich innerlich, ob jetzt wohl sein letztes Stündlein geschlagen habe. Denn es war bekannt, dass die Kolonialherren die Einheimischen niemals zu Tisch baten, es sei denn, um selbigen abzudecken. Und Ebermaier lud ihn auch nicht ein, Platz zu nehmen. Das beruhigte ihn ein bisschen. Sie gingen einen Korridor entlang und betraten den Garten hinter dem Palast. Dort weidete in Seelenruhe ein Pferd.

  • „Siehst du das Pferd dort? Wie gefällt es dir?“
  • „Ein schönes Tier.“
  • „Es ist ein Vollblut-Araber. Komm, gehen wir zurück. Das war’s, was ich dir zeigen wollte.“

Sie gingen denselben Weg schweigend zurück. Sie durchquerten zunächst das Speisezimmer mit dem üppig gedeckten Tisch, durchschritten danach den Salon und kamen schließlich zur Türschwelle. Die Kirchturmuhr der Weißen schlug soeben Mittag. Da nahm Ebermaier endgültig Abschied von Ambassa Tsimi Toua:

  • „Wenn ich dich in genau einem Jahr in dem Stück Land besuchen komme, wo deine Ahnen begraben sind, soll der Tau nicht die Beine dieses schönen Tiers beschmutzen. Ich glaube du hast mich wohl verstanden. Ich habe dem nichts mehr hinzuzufügen. Dir eine gute Reise; es ist Zeit für mich, zu Tisch zu gehen.“

Als Ambassa Tsimi Toua zurückkehrte, zwang er seine Leute dazu, eine 20 Kilometer lange Straße zu bauen; mit den Händen, ohne Werkzeuge, ohne Lohn, aber mit Hilfe und tatkräftiger Unterstützung der Peitsche, mit lauten Befehlen und Kommandos, genauso wie er es bei den deutschen Kolonialherren gelernt hatte. Sogar die Behinderten, die Frauen und die Kinder, die normalerweise von den Kolonialisten von solcher Arbeit verschont blieben, mussten sich meinem Großonkel unterwerfen. So wurde nicht nur Kilometer um Kilometer Straße gebaut, sondern Liter um Liter Schweiß, Blut und Tränen vergossen. Wenn ein schwarzer Soldat auch nur ein kleines Stückchen Macht von einem Weißen bekommt, lässt er seine Peitsche noch virtuoser und grauenvoller auf dem Rücken seiner Brüder und Schwestern tanzen als es ein Weißer jemals getan hätte.

All dies geschah im Jahr 1913. Ein Jahr später war die Straße fertig. Aber Ebermaier kam Ambassa Tsimi Toua im Land seiner Ahnen niemals besuchen. Daher wurde er auch nicht zum Ober-Häuptling der Eton ernannt. Der Krieg in Europa war ausgebrochen. Heute gibt es noch Hunderte von kamerunischen Dörfern, in die keine Straße führt. Das Buschtaxi wirft die Leute weit vor ihrem Ziel einfach raus, von wo sie dann den Rest des Weges wohl oder übel zu Fuß zurücklegen.

Dank dieser Disziplin, dieser Einsatzbereitschaft und diesem ausgesprochenen Aufopferungswillen, also genau den Tugenden, für die die Deutschen weltweit bekannt sind, gibt es heute eine Straße, die in mein Dorf führt. Dafür hat es sich doch gelohnt, dass Ambassa Tsimi Toua nicht an die Tafel des Herrn Ebermaier eingeladen worden war, oder?

Félix Kama

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